Obwohl er gefühlt in Verruf geraten ist, findet sich Tequila in jedem Barsortiment. Würde ich auf der Straße jedoch die zehn nächstbesten Leute ansprechen und fragen, ob sie Tequila mögen, würde vermutlich die Hälfte von ihnen antworten, dass sie aufgrund einer wilden Nacht traumatisiert seien. Mindestens vier der fünf übrigen würden behaupten Tequila ebenfalls nicht zu mögen, maximal einer würde sich mutig an ein neues Trinkerlebnis heranwagen.

Nichtsdestotrotz lässt sich im Supermarkt ein gegenteiliger Trend beobachten. Neben der Flasche mit dem roten Hut stehen inzwischen weitere. Tequila boomt heimlich!

Wie alles begann:
Bei den meisten Spirituosen lässt sich nicht genau sagen, wo ihre historischen Ursprünge zu finden sind – so auch beim Tequila. Fakt ist, dass schon die Ureinwohner des heutigen Mexikos Alkohol getrunken haben. Damals war es nur der zufällig vergorene Saft der Agaven, welcher als »Octlí« bezeichnet wurde. Als 1519 die Spanier landeten, entdeckten diese auch das leicht alkoholisierende Getränk. Nach einem, nennen wir es mal vorsichtig »kulturellen Austausch« übernahmen die Spanier diese Tradition und fermentierten von nun an gezielt den Saft der Agaven. Heute trägt dieses Getränk den Namen »Pulque«. In Europa war die Destillation schon lange bekannt und bald sehnte man sich nach einem höherem Alkoholgehalt. Die Agaven wurden gekocht, um den Zucker zu konzentrieren und später zu destillieren. So wurde mit diesem sogenannten »Vino de Mezcal« (Wein aus Agaven) ca. 20-25 % Alkoholgehalt erreicht. Im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert stieg die Beliebtheit so weit, dass die spanische Königsfamilie kaum noch den importierten Brandy verkaufen konnte. Folglich wurde die Produktion des »Vino de Mezcal« verboten, was natürlich sofort zu Schwarzbrennerei führte. Ein kluger Mann, José Antonio de Cuervo aus der Stadt Tequila, sah jedoch viel Potenzial in dem Getränk, sodass er dem spanischen Königshaus Steuern anbot, falls er legal produzieren dürfte. So wurde 1795 die erste Lizenz für eine kommerzielle Produktion ausgestellt.

Knapp 80 Jahre später verließ ein gewisser Cenobio Sauza das Unternehmen der Cuervo-Familie und machte auf der anderen Straßenseite seine eigene Brennerei auf. Sauza trug wesentlich zu dem heute bekannten Produkt bei, indem er für seinen Tequila nur eine einzige Agavensorte verwendete – nämlich die Blaue Weberagave. Zum Zwecke der Vermarktung nannte er dieses Produkt Tequila. Dies war die Geburtsstunde jener Spirituose, die wir heute immer noch trinken. Mezcal bleibt dabei die Kategorie der Spirituosen aller anderen Agaven, dazu jedoch später mehr.

Seit den 1940er-Jahren ist die Tequila-Produktion durch verschiedene Vorschriften geregelt, denn nur in fünf Gebieten in Mexiko ist die Herstellung erlaubt. Das Herz der Produktion liegt dabei im Bundesstaat Jalisco. Zur Produktion muss mindestens 51% des Zuckers, aus dem der Alkohol gewonnen wird, aus der besagten Blauen Agave stammen. Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts erreichte der Tequila – allen voran eine bestimmte Marke – auch Deutschland. Während in den USA José Cuervo und Sauza den Markt dominierten, setzte sich bei uns Sierra mit dem Roten Hut und dem immer noch bekannten Trinkritual durch, welches wahrscheinlich auch zu den zahlreichen Traumata führte.

Bei der Produktion von Mezcal und Tequila unterscheidet sich neben der Art der Agaven vor allem ein Produktionsmerkmal: Für den Tequila werden die Agavenherzen, die sogenannten Pinas, nur gekocht, was zu einem eher milden Aroma führt. Beim Mezcal hingegen werden die Agavenherzen in unterirdischen Öfen gebacken. Die dabei entstehenden Phenole sorgen für den meist rauchigen Charakter des Mezcal. Ein Grund für die Vielfalt und die unterschiedlichen Qualitäten (welche die beiden Destillate vor allem für Barkeeper interessant machen) ist, wie auch beim Whiskey oder beim Rum, die Lagerung. Diese funktioniert im mexikanischen Klima wesentlich besser als im kalten Schottland, sodass wir hier von Lagerzeiten von null (beim ungelagerten »Blanco«) bis drei Jahren (beim »Extra Anejo«) sprechen, während Schottische Whiskeys bekanntermaßen teilweise über 20 Jahre reifen müssen. Die verhältnismäßig kurze Lagerung spiegelt sich jedoch nicht im Preis wider. Agaven müssen sieben bis zwölf Jahre auf dem Feld stehen, bevor die drei bis vier Meter hohen Pflanzen von den sogenannten Jimadores geerntet werden können. Der gesamte Produktionsprozess dauert somit bis zu 15 Jahre. Dennoch ist Tequila dem Käufer oft nicht mehr als 20 Euro wert. Wer jedoch das gleiche Geld in die Hand nimmt, wie für einen durchschnittlich 12-15 Jahre alten Single Malt Whisky, sprich 40-50 Euro (oder mehr), dem eröffnen sich ganz neue Horizonte. Ein versierter Bartender kann hieraus fantastische Kreationen zaubern, welche mit der klassischen Trinkweise (pur mit Salz und Zitrone) nichts mehr zu tun haben.

Die Profis hinter der Bar können und wollen Sie mit ihren Varianten klassischer Drinks überzeugen und nicht nur den Tequila sondern auch den Mezcal neu entdecken lassen. Fragen Sie einfach direkt beim Barkeeper nach seinen Empfehlungen.

Cheers!
Euer Dennis