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Die perfekte Balance in Form eines Drinks

Der Jahreszeitenwechsel läutet auch eine neue Drinks-Saison ein: Es wird Zeit für frische, spritzige Drinks mit einer gewissen Leichtigkeit.

Unter den Barklassikern versteckt sich ein kleines (High)light, welches ideal in den Frühling passt – ein Drink der Bar-Renaissance, wenn man so möchte. Unter den Barkeepern selbst hat er allein aufgrund der Zusammensetzung seiner Zutaten, die ihn als außergewöhnliche Variante eines Klassikers auszeichnet, schon immer eine hohe Street Credibility: Der Aviation
Anfang des Jahrtausends war dieser Cocktail hauptsächlich unter »Bar-Nerds« bekannt. Andere Klassiker, wie z.B.der Old Fashioned, oder Neu-Interpretationen der Sours, wie beispielsweise der Gin Basil Smash, setzten sich in den letzten 20 Jahren konstant durch, während der Aviation selten auf Barkarten stand. Nur Kenner bestellten ihn, ähnlich wie Sammler, die auf dem Flohmarkt nach längst vergriffenen Bootlegs oder Sonder-Pressungen bekannter Alben suchen. Der Gast brachte damit zum Ausdruck: »Ich bin ein Genießer.« Verwandte Drinks wie etwa eine White Lady oder ein einfacher Gin Sour waren diesem Menschenschlag immer schon zu simpel.
Mit wachsendem Interesse an der Barkultur in den letzten 10 Jahren wurde der Drink nach und nach bekannter. Warum aber passt der Aviation nun so gut in genau diese Jahreszeit? Es ist die Frische und die Idee einer leichten Blüte in der Nase, die dem Drink seine Einzigartigkeit verleiht. Die entscheidende Zutat ist dabei die Crème de Violette, die nicht nur für die außergewöhnliche Farbe sorgt, sondern auch beim Trinken den Duft von Veilchen verströmt. In der Barszene wurde lange Zeit über das genaue Rezept diskutiert. Hier meine Lieblingsvariante:

Aviation
Zutaten:

  • 5 cl Gin (Tanqueray No. 10)
  • 1,5 cl Maraschino (Giffard oder Luxardo)
  • 2 cl frischer Zitronensaft
  • 1 Barlöffel Crème de Violette (Bittertruth)

Zubereitung:

  1. Zutaten in den Shaker geben und mit Eiswürfeln auffüllen.
  2. Sehr kräftig (mind. 20 Sekunden) schütteln und doppelt ins vorgekühlte Glas abseihen.

Glas: Coupette
Garnitur: Zitronenzeste

Es gibt auch einige Rezepte ohne die Crème de Violette, zum Beispiel im »Savoy Cocktail Book« von Harry Craddock. Wie es zu seiner Variante kam, weiß niemand so genau. War der Gin Sour mit Maraschino zu der Zeit einfach lecker und beliebt, sodass Harry Craddock unabhängig von dem schon bestehenden Rezept diese Sour Variante kreierte? Oder war er vielleicht gezwungen, in seiner Bar in London auf die rare Zutat zu verzichten, da diese schlichtweg nicht verfügbar war?
Die violett-blaue Farbe ist übrigens auch für den Namen des Drinks verantwortlich: Er soll als Anerkennung der mutigen Piloten in der zu Beginn des Jahrhunderts stark wachsenden Luftfahrt gewählt worden sein.
Fazit für den Hobby-Bartender zuhause? Der Aviation ist und ein bleibt ein Klassiker und ein Drink für Genießer. Doch Vorsicht beim Nachmixen: Ein Cocktail aus der Familie der Sours lebt von der perfekten Balance zwischen Spirituose, Säure und Zucker. Werden die Liköre zu hoch dosiert, schmeckt der Drink schnell süß und erinnert mehr an Seife als an die Frische des Frühlings. Zu wenig Likör jedoch lassen die Zitrone und den Gin forsch und zu kräftig wirken. Das Rezept ist insofern als Richtlinie zu verstehen. Einmal in die richtige Balance geshaked, bringt der Aviation dann aber die Atmosphäre von blühenden Jahreszeiten in Mund und Nase.


Salut!
Euer Dennis