Ein Knallerdrink mit Knistereffekt

In Rio und Venedig suchen die Partys des jeweils legendären Karnevals ihresgleichen und auch bei uns ist in der 5. Jahreszeit mächtig was los. Neben Bier und verschiedensten Kurzen gehen dabei auch zahllose Cocktails über die Theken.
Unter dem Aspekt der Verkleidung wollen wir uns heute einen Cocktail anschauen, der sich gerne mal als Mark Twain verkleidet – oder auch als Marilyn Monroe: die Caipirinha.

Sie (ja, »sie«) ist mit statistisch 7,3 Millionen Bestellungen pro Jahr einer der beliebtesten »Klassiker« der Cocktailszene. Kein Wunder, schließlich freuen sich viele über den Drink mit dem Zucker-Crunchen im Mund.

Schon unzählige Male gemixt, kann sich ein Barkeeper aber selten daran erinnern, wann er den Drink das letzte mal selbst getrunken hat. Weshalb wird diesem Cocktail so wenig Beachtung des Fachmannes geschenkt, wenn er ansonsten so gefragt ist? Beim Endverbraucher ist die Caipirinha oft ein »Mittel zum Zweck«, da der süße Cocktail – für seine hohen Volumenprozent – sehr schnell getrunken wird und dann auch Wirkung zeigt. Für den Barkeeper ist der Alkohol jedoch ein Genussmittel, welches in einem Highend-Getränk perfekt verarbeitet werden soll, da passt ein »Knallerdrink« mit Knistereffekt nicht ganz ins Bild.

Aus diesem Grund wurde das brasilianische Traditionsgetränk in vielen Club-Bars in Deutschland als Cachaça mit braunem Zucker, Lime Juice (ein Sirup, nicht zu verwechseln mit Limettensaft) und Crushed Ice verkleidet.

Da die Gäste quasi das Äquivalent zu drei Shots konsumieren, soll das Schmelzen des Crushed Ice den Drink im Laufe der Zeit abmindern. Und der knisternde Zucker überdeckt die, in einigen Fällen, eher mindere Qualität der Spirituose, was sich jedoch meist erst am nächsten Tag bemerkbar macht. Dabei ist seine eigentliche Aufgabe, eine Balance zwischen Limette und Alkohol zu schaffen.
Nehmen wir die brasilianische Rezeptur unter die Lupe, finden wir eine Spirituose, eine Zitrusfrucht und eine Süßungsquelle, ähnlich einem Daiquiri, einer Margarita oder einem Sour.
Diese Cocktails werden von Barkeepern geliebt, gehegt und gepflegt. Die Ausgewogenheit zwischen den drei Komponenten macht die Drinks jeweils zu etwas Besonderem. Unter diesem Blickwinkel lässt sich auch unsere Caipirinha zu einem Highend Drink vollenden.

Folgende Unterscheidungen gilt es hier zu beachten:
Statt dem Limettensaft (wie beim Daiquiri) gelangt die ganze Frucht in die Caipirinha. Daraus folgt, dass der Strunk entfernt werden muss, da dieser Bitterstoffe enthält. Zudem verändert sich das Aroma der offenen Frucht aufgrund der Reaktion mit dem Sauerstoff. Die Säure wird milder und sanfter, sprich die Balance im Drink wird beeinflusst.

Statt Rohrzuckersirup wird auch bei der originalen »Caipi« kristalliner Zucker verwendet. Dieser verändert nur in gelöstem Zustand den Geschmack des Cocktails. Crushed Ice wird in Brasilien nicht eingesetzt, da das Eis aufgrund der klimatischen Bedingungen schlicht zu schnell schmelzen würde.

Neben der Kategorisierung als Sour kann die Caipirinha wegen seiner Zubereitungsweise auch als Batida durchgehen. Aus dem portugiesischen »bater« (schlagen) entsteht eine Cocktail-Familie aus Spirituose, Fruchtsaft oder -mark und Zucker.
Die in Deutschland erhältliche »Batida de Coco« ist somit eigentlich schon ein fertiger Cocktail.

Die Caipirinha, wie wir sie trinken, ist also die deutsche Verkleidung der brasilianischen Batida de Limao.

Schaut man sich die Details um den Drink herum genau an und lässt sich nicht von der Verkleidung täuschen, kann man sich auch eine Norma Jean Baker bzw. einen Samuel Langhorn Clemens mixen.
Salute!