Es hat ein erstaunlicher Wandel stattgefunden, den ich über die letzten Jahre beobachten konnte. Während die vergangenen Schulungszeiten davon geprägt waren, in den Seminaren zu definieren, wer denn jetzt wem die Türe aufhält, steigen die Gespräche dahingehend um, dass einem ja überhaupt mal eine Türe aufgehalten wird egal von wem.

Bevor ich auf die aktuelle Nachfrage eingehe, gerne zunächst die korrekte Vorgehensweise, beim Aufhalten der Türe.
Hier gilt: In der Geschäftswelt wird immer dem Ranghöchsten die Türe aufgehalten, unabhängig vom Geschlecht und vom Alter. So ist es kein ungewohntes Bild, wenn eine 59-jährige Vorstandsassistentin dem 38-jährigen Vorstand die Türe des Konferenzraums aufhält. Er darf jederzeit die Regel brechen und als Gentleman ihr den Vortritt geben mit den bekannten Worten: »Ladies first. Bitte nach Ihnen.« Eine weitere Empfehlung, die sowohl privat als auch geschäftlich seine Gültigkeit hat, lautet: der Gastgeber öffnet dem Gast die Türe, denn der Gast sollte keine Türklinken betätigen müssen (Ausnahme bleibt die Toilettentüre und in Unternehmen in den meisten Fällen auch die Eingangspforte).

Das obere Beispiel lässt einen schmachten und wir wünschen uns alle ein Arbeitsumfeld, bei dem jeder mit jedem unabhängig dem Rang wertschätzend miteinander umgeht. Obwohl wir alle einen wertschätzenden Umgang untereinander als höchstes Gut betrachten, sieht der Alltag nicht immer so vorbildlich aus. Wenn Sie also in einem Unternehmen arbeiten, bei dem diese Werte des Respekts auch tatsächlich gelebt werden und nicht nur in den Firmenvisionen eingerahmt schriftlich an der Wand erscheinen, können Sie sich sehr glücklich schätzen. Bei meinen Firmenbesuchen beobachte ich nämlich oft genug, wie morgens die Kollegen aneinander grußlos vorbeilaufen, die Köpfe tief gesenkt mit dem Blick auf das Smartphone.

Bekannte Situation aus der privaten Welt und wir kennen sie alle: die schweren Glastüren der Einkaufshäuser, unmittelbar zuvor vom Vordermann aufgestoßen worden, wie sie schwer, wuchtig und mit Schwung auf uns zurückfallen. Manche von uns senden entsetzte, andere enttäuschte, wieder andere nicht mal mehr überraschte Blicke. Egal, denn der Vordermann ist bereits weitergegangen und merkt nichts von dem emotionalen Vulkan, das er mit einer einzigen Türe bei uns ausgelöst hat.

Die Glastür kann symbolisch stehen für einen Sitzplatz im Zug, eine Drängelei an der Käsetheke, ein grußloser Start in die geschäftliche Konversation mit dem Kollegen, ein Händedruck ohne Blickkontakt, ein falsch geschriebener Name bei einer E-Mail, ein vergessener Rückruf, auf den wir vergeblich warten… mir fallen endlos viele Beispiele ein.

Unzählige dieser Unachtsamkeiten sind bestimmt in den meisten Fällen nicht wissentlich geschehen und schon gar nicht mit böser Absicht. Trotzdem geschehen sie ständig und die Gesamtsituation wird durch die Unabsichtlichkeit nicht besser. Der Betroffene fühlt sich nicht respektiert und nicht ernst genommen. Er wurde ja tatsächlich ignoriert. Wussten Sie, dass Ignoranz die größte Strafe für den Menschen ist? Wir wollen von unseren Mitmenschen respektiert und wertgeschätzt werden.

Jeder von uns ist in der Selbstverantwortung, darauf zu achten, wie wir von unserer Umgebung wahrgenommen werden.

Hinzu kommt, dass weltweit der Mensch seine Mimik überschätzt: wir denken also, unser Gesicht sieht freundlich aus, doch unsere Mimik sieht viel griesgrämiger aus, wie wir uns tatsächlich fühlen. Lächeln wir bei der Begegnung, wirken wir freundlich und zuvorkommend. Schauen wir weg, gelten wir als arrogant und unfreundlich.

Für den ersten Eindruck haben wir keine zweite Chance und die ersten drei Sekunden entscheiden maßgeblich diesen ersten Eindruck.
Wählen Sie ein freundliches Gesicht für die allererste Begegnung. Gewöhnen Sie sich an, immer ein wenig die Mundwinkel oben zu halten. So kommt ein Lächeln viel schneller über die Lippen. Mein Tipp als Erinnerung aus einer der vergangenen Tanzen – das Magazin-Ausgabe: einen Stift drei Minuten quer im Mund halten, um die Lachmuskeln im Gesicht zu aktivieren, meldet dem Gehirn den Glückszustand, welcher uns dann mit Glückshormonen belohnt.

Erschreckende Statistik an dieser Stelle: Kinder lachen bis zu 300-mal am Tag – Erwachsene nur noch 15-mal im Durchschnitt. Kleiner Tipp: Das Passwort fürs Leben lautet Humor.

Geben Sie der realen Person immer erste Priorität, statt der Person in der digitalen Welt (Smartphone; Tablet; PC,..). Falls das nicht immer umsetzbar ist, entschuldigen Sie sich bei der Person im Raum dafür. »Entschuldigen Sie. Ich musste kurz die E-Mail rausschicken. Ich hatte dem Kunden versprochen, dass er sie bis elf Uhr von mir bekommt.« oder »Tut mir Leid. Ich konnte dich vorhin gar nicht richtig grüßen, weil ich einen Kunden am Telefon hatte. Guten Morgen. Wie geht es dir?« Nur mit ergänzenden Worten können Sie mitteilen, dass Ihnen die Anstandsregeln bekannt sind und Sie es eigentlich besser wissen.

Wenn Sie eine Türe aufhalten, lohnt sich ein kurzer Blick nach hinten, ob nicht doch einer nach Ihnen hindurch möchte. Diese dann aufzuhalten, wird den Hintermann garantiert sehr glücklich machen. Ein kurzer Austausch: »Danke« – »Gern geschehen.« und wir gehen ein bisschen beschwingter in den nächsten Augenblick unserer stets selbst kreierten Realität.

Unterschätzen Sie nicht das Gratulieren zum Geburtstag. Statistisch gratulieren wir nur 5% der Menschen (privat und geschäftlich), von denen wir wissen, dass sie Geburtstag haben. Senden Sie einen Geburtstagsgruß, schreiben Sie Ihren Herzenskunden und –freunden auch mal eine Geburtstagskarte. Der Überraschungseffekt ist immens.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Sensibilität weiter entfalten und mit Ihrer Empathie den Menschen Ihre Wertschätzung sichtbar machen können.
Viel Freude dabei!

Herzlichst,
Ihre Betül Hanisch