Sie ist die erste und einzige Professorin für Tanz- und Bewegungstherapie in Deutschland: 2012 hat Prof. Dr. Sabine Koch den Studiengang an der SRH Hochschule Heidelberg aufgebaut. Im Interview erzählt die Tanztherapeutin und Psychologin, wie Tanzen zur seelischen Gesundheit beitragen kann.

Welche Rolle spielt Tanzen für Sie persönlich?
Prof. Dr. Sabine Koch: Ich kam vom Leistungsturnen zum Tanzen. Der ästhetische Aspekt hat mich dabei stets stärker fasziniert als der Leistungsaspekt. Ich habe Tanztheater, Folklore, Flamenco oder Capoeira ausprobiert, aber immer als Hobby. Tanzen bietet für mich Ausdrucks- und Interaktionsmöglichkeit, die Verbindung von Leib und Seele wird direkt spürbar und es erhält meine innere Balance.

Wann ist es sinnvoll, den Körper und die Bewegung in ein Therapiekonzept einzubinden?
Prof. Dr. Sabine Koch: Wenn der Betroffene oder seine Umgebung unter einer Einschränkung wie z.B. unter Angstzuständen, Depressionen, Stress, Trauma, Essstörungen erheblich leidet, ist eine Tanz- und Bewegungstherapie sinnvoll. Der Körper ist bei jeder seelischen Erkrankung mitbetroffen, deshalb kann über ihn auch der Heilungsprozess eingeleitet werden. Auch beim Verlust von Lebensqualität, ob z.B. durch eine Krebsdiagnose, Diabetes, Neurodermitis oder Demenz kann diese Form der körperpsychotherapeutischen Arbeit helfen. Ein Beispiel: Wir haben bereits einige Tanztherapie-Workshops für Menschen angeboten, die an Parkinson erkrankt sind. Sie haben häufig Angst, dass sie fallen und ihre Bewegungen unkoordiniert wirken. Beim Tanzen kommen sie u.a. durch die Musik in einen regelrechten Flow und empfinden ihre eigenen Bewegungen wieder als schön. Sie entspannen sich und merken, was sie eigentlich noch können. Beim Tango Argentino beispielsweise werden viele Bewegungen wie Rückwärtsgehen, Drehen und Initiieren spielerisch geübt, die im Alltag oft vermieden werden.

Wie und wo arbeiten Tanztherapeuten?
Prof. Dr. Sabine Koch: Die Tanztherapeuten folgen unterschiedlichen Ansätzen, die sich an der jeweiligen Einschränkung oder Erkrankung orientieren. Bei Kindern mit Autismus beispielsweise setzen die Therapeuten mit der Spiegelungsmethode an: Sie folgen den Bewegungen, aber auch der Stimme des Kindes – den gesunden Anteilen, also nicht dem stereotypen Verhalten. Schnell merkt das Kind, dass sein Verhalten Auswirkungen hat. So lernt es in Interaktion zu treten.
Einige unserer Absolventen haben inzwischen eine eigene Praxis und bieten dort erfolgreich Gruppen- oder Einzeltherapien an. Viele arbeiten als Tanz- und Bewegungstherapeuten in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken oder Förderschulen. Perspektivisch ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren weitere Arbeitsplätze in der Altenarbeit und der Neurorehabilitation entstehen. Die Forschung zeigt dort schon sehr gute Erfolge.

Welche Fähigkeiten sollte ein Bewerber mitbringen?
Prof. Dr. Sabine Koch: Zunächst sind natürlich Kenntnisse in den Bereichen Tanzen und Bewegung wichtig. Darüber hinaus sollte man Interesse an Menschen haben und Belastungsfähigkeit mitbringen. Viele unserer Patienten sind schwer und chronisch krank. Die Arbeit als Tanztherapeutin oder -therapeut sorgt für viele neue Perspektiven und macht unheimlich Spaß – ich selbst kann mir nichts Schöneres vorstellen!

Tanz- und Bewegungstherapie studieren
Die Tanz- und Bewegungstherapie zählt zu den künstlerischen Therapien, die das Potential der Künste nutzen, um psychologische Prozesse auf nonverbalem Weg therapeutisch zu begleiten und behandeln. Das Master-Studium an der SRH Hochschule Heidelberg dauert zwei Jahre und führt zum akademischen Grad „Master of Arts (Dance Movement Therapy)“. In der hochschuleigenen Ambulanz haben die Studierenden von Anfang an direkten Kontakt mit Patienten. Voraussetzung ist i.d.R. ein Bachelor-Abschluss aus den Sozial- oder Humanwissenschaften, den Gesundheitswissenschaften oder aus dem künstlerischen Bereich wie etwa Tanz. Bewerbungen sind jederzeit möglich. Mehr Infos unter:

www.hochschule-heidelberg.de