Tanzen verbindet weltweit – so lautete lange Jahre der Slogan des Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverbandes (ADTV). Mit Hilfe einer Unterschriftenaktion wird nun versucht, das »Welttanzprogramm« zum Teil des immateriellen Weltkulturerbes zu machen.
Das in den 1960er Jahren entstandene Welttanzprogramm soll Teil des immateriellen Weltkulturerbes werden, zumindest, wenn es nach dem Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband (ADTV) und seinen tanzbegeisterten Unterstützern geht. Das Programm wurde ursprünglich von dem Hamburger Tanzlehrer Gerd Hädrich entwickelt und beinhaltet die Schritte und Regeln für die fünf Tanz- und Musikrichtungen Disco, Swing, Walzer, Latino und Tango.

1963 wurde es im International Council of Ballroom Dancing (heute World Dance Council, kurz WDC), der internationalen Vereinigung der Tanzlehrerverbände, eingeführt. Es dient bis heute dazu Tanzschulen möglichst viele Grundlagen für die Gestaltung des Tanzunterrichts zu liefern. Hierzu zählen nicht nur die einzelnen Tänze, Schritte und Figuren sondern auch der jeweilige musiktheoretische Hintergrund, verschiedene stilistische Ausprägungen, tanztechnische Grundlagen sowie Aspekte zum Thema Führen und Geführtwerden.

Ziel ist es, möglichst vielen Menschen weltweit ein gemeinsames Tanzerlebnis zu ermöglichen. Die Eintragung als Teil des immateriellen Weltkulturerbes soll die Bedeutung des paarweisen Tanzens als weltumspannende Kulturtechnik unterstreichen.

Aber was genau ist das
immaterielles Kulturerbe
überhaupt?

Hierzu zählen alle Kulturgüter, die als schützenswert gelten und von der einen Generation zur nächsten weitergegeben werden, jedoch nicht „angefasst“ werden können, beispielsweise Bräuche oder Kulturtechniken, die bis heute überlebt haben. In Deutschland sind dies bislang u.a. die Falknerei (die Jagd mit abgerichteten Greifvögeln) oder die Kultur der auf Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung basierenden Genossenschaften.

Internationale Beispiele wären die Mittelmeerküche, der mexikanische Tag der Toten oder die Feuerfeste zur Sommersonnenwende in den Pyrenäen – es handelt sich jeweils um kulturelle Ausdrucksformen, die mit menschlichem Wissen und Können verbunden sind.

Der Begriff des „Kulturerbes“ hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Vor elf Jahren entstand eine zweite Kategorie in Bezug auf das Weltkulturerbe: Die Liste des immateriellen Weltkulturerbes.

Nach der Definition der UNESCO-Konvention umfasst sie „Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten – sowie die dazugehörigen Instrumente, Objekte, Artefakte und kulturellen Räume […], die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen.“ Das Kulturerbe umfasst nun weit mehr als Baudenkmäler und bezieht sich jetzt auch auf Traditionen und kulturelle Handlungsweisen.

Um genau zu sein gliedert es sich in fünf Bereiche: mündlich überlieferte Traditionen (einschließlich der Sprache) gesellschaftliche Bräuche (soziale Praktiken, Rituale und Feste), Wissen und Praktiken im Umgang mit der Natur und dem Universum, Fachwissen über traditionelle Handwerkstechniken und letztlich darstellende Künste wie Musik, Tanz und Theater.

Der Allgemeine Deutsche Tanzlehrerverband plädiert angesichts dieser Definition dafür, dass auch das Welttanzprogramm in die Liste aufgenommen wird.

Momentan setzt sich das deutsche Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aus 68 Einträgen zusammen, welches sich mit der Zeit immer weiter vergrößern soll, um die Bandbreite der kulturellen Besonderheiten in Deutschland aufzuzeigen und um die immateriellen Schätze des Landes zu definieren und zu sichern. In einem mehrstufigen Verfahren der Deutschen UNESCO-Kommission und weiteren staatlichen Akteuren wurde dieses Verzeichnis erstellt.

Bereits seit 2009 ist der Tango Argentino bereits immaterielles Weltkulturerbe.
Er verbreitete sich im Laufe der Zeit überall auf der ganzen Welt und so nahm ihn die UNESCO auf einer Tagung in Abu Dhabi in die Liste der schützenswerten immateriellen Kulturgüter auf. Der Literaturnobelpreisträger George Bernard Shaw bezeichnete den Tango als „vertikalen Ausdruck eines horizontalen Verlangens“ und somit war und ist er definitiv schützenswert und wurde zu einem immateriellen Weltkulturerbe. Nach dem Tango soll jetzt auch das komplette Welttanzprogramm zum Weltkulturerbe werden.

Laut Cornelia Willius-Senzer, der Präsidentin des Europäischen Tanzlehrerverbandes und Vorsitzenden der FDP-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag, sammelte der Verband bislang über 42.000 Unterschriften von Unterstützern in ganz Deutschland. Auch europäische Partnerverbände wie das Präsidium des World Dance Councils (WDC) befürworten diesen Antrag.

Um den Antrag auf den Weg zu bringen, wurden die Unterschriftenliste in Mainz an den rheinland-pfälzischen Kulturminister Konrad Wolf (SPD) übergeben, in der Hoffnung, dass die Kultusministerkonferenz der Länder die Aktion unterstützt. Im März beginnen dann die Beratungen der Expertenkommission, im Anschluss kann eine Entscheidung der UNESCO erfolgen.

Zitat Jürgen Ball:
»Das Welttanzprogramm ist quasi das ABC für die Körpersprache des Paartanzens, es ermöglicht einen niedrigschwelligen Einstieg in den Gesellschaftstanz. Es will Menschen im Tanz verbinden und Gemeinschaft bilden. Tanzen verbindet Geschlechter, Generationen, Nationalitäten, Religionen und soziale Milieus. Es realisiert den UNESCO-Kulturbegriff auf idealtypische Weise.«
Jürgen Ball (Leiter der Tanzlehrerakademie im ADTV)