Aktuell sind die Serien »Ku‘damm 56« und »Ku‘damm 59« in aller Munde. Gerade in der ersten Staffel der ZDF-Familiensaga steht der Umbruch der Berliner Tanzschule Galant von einer alteingesessenen Institution zu einem zeitgemäßen Tanzstudio im Mittelpunkt. Die damals neue Swingmusik, die den Rock ‘n’ Roll und den Boogie Woogie nach Deutschland brachten, war ausschlaggebend für die junge Generation, sich von den Wurzeln und Vorgaben der Eltern zu lösen. Dieser Übergang stellt die Protagonisten der Serie vor viele Probleme und Hindernisse. Doch ist das damals wirklich so passiert?
Wir haben einen Zeitzeugen aus der Tanzszene gefragt, der live dabei war!

Das Interview mit Karl Breuer
Tanzschulinhaber
und Rock‘n‘Roll-Legende aus Köln, Jahrgang 1932

Tanzen – Das Magazin: In der Serie geht es um den Aufbruch der Jugend und das Aufbegehren gegen die Generation der Eltern im Berlin der 50er-Jahre. Das äußert sich hier durch die Veränderung im Tanzen und in der Musik. Der Rock ‚n‘ Roll wird, zum Bedauern der Eltern, sehr populär. Haben Sie das in Köln auch so miterlebt?

Karl Breuer: Absolut, das war ja in meiner Jugend das Highlight. Da gab es Kalle Gaffkus, den Rock ‘n’ Roll Weltmeister, den US-amerikanischen Musiker Bill Haley und die deutschen Sänger Peter Kraus und Conny Froboess. Diese Namen waren Synonyme für den Aufbruch. Das war ein Aufmucken gegen die relativ zurückhaltende Zeit in den 40er-Jahren. Das verbreitete sich dann immer weiter, bis die Welle mit Elvis Presley ihren Höhepunkt erreichte.

Tanzen – Das Magazin: Als Sie Ihren ersten Tanzkurs besuchten, waren da die Swingtänze schon mit im Programm?

Karl Breuer: Der Boogie kam direkt nach dem Krieg rüber. Das heißt als ich 1948 meinen ersten Tanzkurs besuchte, waren der Boogie und der Swing schon unsere Lieblingstänze.

Tanzen – Das Magazin: Was meinen Sie, warum war der Rock ‘n’ Roll dann noch so eine Revolution, wenn doch schon vorher auf Swing Musik getanzt wurde?

Karl Breuer: Boogie und Swing waren noch Tänze, die man zusammen mit seinem Partner auf dem Boden getanzt hat.
Beim Rock ‘n’ Roll kamen dann noch Hebefiguren und Salti mit dazu. Das ging dann schon in die körperlichen Höchstleistungen und man konnte, bis dahin undenkbar, den Frauen beim Tanzen unter den Rock gucken, wenn sie durch die Luft gewirbelt wurden.

Tanzen – Das Magazin: Mussten Sie lange überlegen, als es darum ging zu entscheiden, welche Tänze Sie in Ihrer eigenen Tanzschule unterrichten möchten?

Karl Breuer: Wir haben als Tanzschule natürlich alles mit angeboten. Sowohl Standard und Latein als auch Rock ‘n’ Roll. Das Tanzen entwickelt sich ja immer weiter und wir gehen mit. Heute machen wir beispielsweise auch Kurse für Menschen mit Demenz, denn der Tanz im Allgemeinen beschleunigt den Heilungsprozess ungemein und bekannte Musik aus der Jugendzeit weckt doch manchmal noch schöne Erinnerungen.

Rock ‘n’ Roll Revival
Der Hype »Rock‘n‘ Roll« ist noch längst nicht ausgestorben:

Jedes Jahr werden weitere Künstler in die Rock and Roll Hall of Fame in Cleveland, Ohio aufgenommen. Der Begriff Rock ‘n’ Roll wird hier allerdings sehr weit gefasst: Es werden Musiker aus allen Bereichen außer Klassik, Schlager und Volksmusik anerkannt. So kann man in der 323 Einträge umfassenden Liste beispielsweise auch ABBA, Elton John oder Tupac Shakur finden, die eher als Vertreter für die Pop- und Hip Hop-Musik gelten. Mit insgesamt fast einer Milliarde verkaufter Tonträger, haben sich ABBA ihren Platz in der Hall of Fame auch redlich verdient.

Auch in der Modewelt lebt der Mythos weiter: Röhrenjeans und längere Haare sind bei Männern schon lange Teil des normalen Erscheinungsbildes. Ohne die Vorarbeit der wilden Jugend in den 50er-Jahren wäre es vielleicht heute noch undenkbar, dass ein Geschäftsmann eine Jeans im Büro trägt. Hoch lebe der Casual Friday, danke ihr Rebellen!

»Rock & roll is not an instrument; rock ‘n‘roll is not even a style of music. Rock‘n‘roll is a spirit. […] It‘s been going since the blues, jazz, bebop, soul, R&B, rock & roll, heavy metal, punk rock and, yes, hip-hop. And what connects us all is that spirit. […] Rock‘n‘roll is not conforming to the people who came before you, but creating your own path in music and in life.«

Ice Cube
während der Dankesrede bei N.W.A.‘s Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame im Jahr 2016

Meine Motivation ist die Musik! Ich mag es, dass sie mir soviel Energie und Lebensfreude gibt. Der Tanz an sich kann für manche Menschen ein Leistungssport sein, doch ich möchte, dass jeder Mensch, egal mit welcher Statur oder Alter, sich auf diese tolle Musik bewegen kann.

Ich bin stolz darauf, so viele junge Menschen für diese Musikrichtung und diesen Tanz begeistern zu können. Für mich ist Rock‘n‘Roll viel mehr als ein Musikgenre – für mich ist es eine Lebenseinstellung.

Julia Osswald
Rock‘n‘Roll Instructor