Mal richtig eine heben

Verbrennen und Versicherungsprämie kassieren!« Das riet ein Hollywood-Produzent, als er „Dirty Dancing“ vor dem Start sah – dann wurde der kitschige Low-Budget-Film zum Welterfolg. Viele der Schauspieler gerieten trotzdem bald in Vergessenheit. Wir verraten, was aus Baby, Johnny und Co. wurde.
Am 17. August 1987 ging Eleanor Bergstein ins Kino. Sie war aufgeregt wie nie. Denn sie wollte sich nicht irgendeinen Film ansehen, sondern ihren eigenen.

Einen Film, der von den Jugenderlebnissen der 49 Jahre alten Autorin handelte. Als Tochter eines jüdischen Arztes war sie zusammen mit ihrer großen Schwester Frances in Brooklyn aufgewachsen und hatte als Teenager an Mambo-Wettbewerben teilgenommen. Aus diesem Stoff hatte sie ein Drehbuch gestrickt und hart dafür gekämpft, dass ihre Geschichte es auf die Leinwand schafft. Nun war ihr Traum wahr geworden, der Film war in den Kinos – und die Autorin rechnete mit einem brutalen Flop.
Sie hatte allen Grund dazu. Jahrelang war Eleanor Bergstein mit dem Skript von Studio zu Studio gezogen. „Alle hatten mir gesagt“, erinnert sie sich später, „wie sehr sie das Drehbuch hassten.“ Nachdem alle großen Studios das Projekt abgelehnt hatten, nahm sich Vestron Pictures des Stoffes an – eine Firma, die sich auf den Vertrieb von Heimvideos spezialisiert hatte.

„Wir waren nicht gerade guter Dinge“, so Bergstein. Ein Produzent, dem die Chefs von Vestron den fertigen Film kurz vor der Premiere gezeigt hatten, sagte nur: „Verbrennt die Negative und kassiert die Versicherungsprämie.“ So beschlossen die Finanziers, das Werk ein Wochenende laufen zu lassen, um es direkt danach auf Video rauszubringen. Deshalb war Bergstein im Kino – an diesem Tag und auch die nächsten vier Tage. Sie wollte sicherstellen, dass überhaupt jemand im Saal war.

Doch dann geschah das Wunder: Am fünften Tag war sie in einer Vorstellung im New Yorker Loews Theater. Neben ihr saß ihr Mann und machte eine erstaunliche Entdeckung: In der ersten Reihe des Kinos saßen ein paar Frauen – und sie konnten jeden Dialog mitsprechen. „Weißt du, was das heißt?“, fragte er sie. „Es bedeutet, dass sie schon jetzt so oft in dem Film waren, dass sie jede Zeile auswendig können.“
So begann eine der überraschendsten Erfolgsstorys der Kinogeschichte, dem Aufstieg von „Dirty Dancing“ vom ungeliebten Low-Budget-Projekt zum Kultfilm.

Für gerade mal fünf Millionen Dollar war das Tanzdrama heruntergekurbelt worden – und wurde zu einem Filmhit der Superlative: 170 Millionen Dollar spielte „Dirty Dancing“ an den Kinokassen ein, ein Jahr nach seiner Premiere war er der meistgeliehene Film in amerikanischen Videotheken, um bald darauf der erste VHS-Film zu werden, der sich mehr als eine Million Mal verkaufte.

Auch der Soundtrack wurde zum Überraschungserfolg. Noch bevor überhaupt eine Single gepresst war, gab es mehr als eine Million Vorbestellungen für das Album zum Film. Kurz darauf verdrängte es Michael Jacksons „Bad“ und Bruce Springsteens „Tunnel Of Love“ von der Spitze der US-Hitparaden. Die Hauptdarsteller Patrick Swayze und Jennifer Grey wurden über Nacht zum Traumpaar Hollywoods. Auf der Suche nach einer Erklärung für den irren Erfolg nannten Kritiker den Film bald „‚Star Wars‘ für Mädchen“.

Ein Hit auf Beerdigungen
Bis heute hat „Dirty Dancing“ nichts von seiner Anziehungskraft auf immer neue Generationen verloren. Zwischen 2005 und 2007 wurden mehr als zehn Millionen „Dirty Dancing“-DVDs verkauft. Laut einem Artikel von BBC News aus dem Jahr 2006 war die Schnulze „(I’ve Had) The Time Of My Life“ zu diesem Zeitpunkt bei den Briten der drittbeliebteste Song auf Beerdigungen.

Den Karrieren der Beteiligten hat der Kultfilm indessen nur wenig Glück gebracht. Sowohl Patrick Swayze als auch Jennifer Grey hatten arge Schwierigkeiten, an den Erfolg von „Dirty Dancing“ anzuknüpfen. Swayze wurde jahrelang als knopfäugiger Rebell mit Lederjacke besetzt und Grey war nach einer Schönheitsoperation schlicht nicht mehr wiederzuerkennen.

Ebenso verschwanden die meisten anderen Schauspieler des Films danach wieder in der Versenkung. Manche wurden lieber Mütter als Filmstars, andere machten eine Karriere als Regisseur. Und einer der Schauspieler starb wenige Jahre später an einer Überdosis Heroin.

Benjamin Maack, Spiegel Online