Fred Astaire und Ginger Rogers

Gibt man »Fred Astaire« bei Youtube ein, sieht man, dass der erste Treffer über 14 Millionen Aufrufe hatte. Ein Mann, der rund 20 Jahre vor dem Start der Online-Video-Plattform gestorben ist, fasziniert also auch 2019 noch durch seine weltberühmten Tanzszenen Millionen von Menschen. Besonderen Ruhm erlangte er mit seiner kongenialen Partnerin Ginger Rogers.

Frederick Austerlitz kommt am 10. Mai 1899 in Omaha, Nebraska mit deutsch-österreichischen Wurzeln zur Welt. Bereits mit vier Jahren wird er in den Ballettunterricht geschickt – zur damaligen Zeit sehr ungewöhnlich für einen Jungen; der kleine Frederick war davon auch nur mäßig begeistert. Doch der Unterricht lohnt sich: Mit sieben Jahren hat er gemeinsam mit seiner zwei Jahre älteren Schwester erste öffentliche Auftritte, knapp zehn Jahre später tanzen die beiden im Stück »Over the Top« am Broadway. Das war 1917. Schon zu Beginn der öffentlichen Auftritte haben seine Eltern ihm bereits den Künstlernamen »Fred Astaire« gegeben – in Anlehnung an die elsässische Verwandtschaft der Mutter, weil sie fanden, dass der deutsche Name sich so schlecht im amerikanischen Showbusiness verkaufen lässt. In diesem Jahr feiert Virginia Katherine McMath ihren sechsten Geburtstag.

Virginia, die unter dem Namen Ginger Rogers Weltruhm erlangte – Rogers war der Nachname des zweiten Ehemannes ihrer Mutter, Ginger ihr Spitzname – wurde früh auf ein Leben als Tänzerin vorbereitet. Mit 14 Jahren tritt sie in amerikanischen Unterhaltungsshows auf, der Sprung an den Broadway gelingt ihr 1929 und sie spielt im Musical »Top Speed« mit. Im gleichen Jahr gibt sie auch ihr Leinwand-Debüt.

1931 heiratet Fred Astaires Schwester Adele einen Lord und beendet deshalb ihre Bühnenkarriere. Für Fred war das der Beginn seiner Karriere als Teil des wohl berühmtesten Tanzpaares der Filmgeschichte: Mit Ginger Rogers tanzt er 1933 in einer Nebenrolle durch den Film »Flying down to Rio«. Die Harmonie des Paares war so besonders, dass sie insgesamt zehn Filme zusammen drehen werden. Und das, obwohl zwei Jahre zuvor ein Film-Talentsucher Astaire einschätzt: »Er kann nicht singen, er kann nicht schauspielern, aber er kann ein bisschen tanzen.« Fred Astaire lässt sich nicht beirren: Hartes, tägliches Training mit Ginger und neue Ideen für Choreographien, die Astaire selbst entwickelt sind die Bausteine ihres Erfolges. Nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechend, machte er seine äußeren Makel mit unglaublicher Eleganz in der Bewegung und einer riesigen Portion Charme wieder wett. Beide waren unter den Top Ten der kassenträchtigsten Schauspieler in Amerika. Schauspielkollegin Katherine Hepburn soll über das Paar mal gesagt haben: »Sie gab ihm Sex, er gab ihr Klasse.«

In die Karten spielen dem talentierten Traumpaar auch der Siegeszug des Tonfilms, der in den 1920er Jahren das Filmmusical in dieser Form überhaupt möglich macht. Singend und tanzend heben sie das Genre auf ein neues Niveau. Durch die Berühmtheit, die die beiden zu dieser Zeit erlangen, werden sie auch noch Jahrzehnte später in anderen Werken zitiert werden – von den Beatles über Westernhagen bis zu Robbie Williams.

Für Matthias Müller ist diese Bedeutung in der Tanzgeschichte nachvollziehbar und mehr als gerechtfertigt. Müller ist Vorstandsmitglied der „Europäischen Stiftung Tanzen“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Paartanz als gesellschaftliches Kulturgut zu erhalten: »Die rücksichtsvolle und unaufdringliche Eleganz von Ginger und Fred sind aus unserer Sicht auch heute noch ein gutes Vorbild. In ihrem Tanz ist stets eine schöne Verbindung zwischen den Partnern sichtbar«.

Ginger Rogers gibt sich nicht zufrieden mit der Rolle als Leinwandpartnerin von Astaire und konzentriert sich Ende der 1930er mehr auf ihre Solokarriere. Sie strebt nach ernsthaften Rollen und bekommt für ihre Hauptrolle im Drama »Fräulein Kitty« 1941 den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Astaire führt weitere Partnerinnen über das Leinwand-Parkett, darunter Judy Garland, Eleanor Powell und Audrey Hepburn.

Die Geschichte von Rogers und Astaire kann man nicht ohne Gene Kelly erzählen: Die MGM-Studios bauen den talentierten Tänzer als Konkurrent und Gegenpol zu Astaire auf. Unterschiedlich in Stil und Ästhetik – Kelly setzt auf Athletik, eindrucksvolle Bühnenbilder und viele Statisten, während Astaire unnachahmlich elegant im Tanz zu zweit bleibt – wird Kelly der einzige würdige Nachfolger Astaires. Ein einziges Mal haben die beiden auch zusammen gearbeitet, nämlich im Film mit dem Orginaltitel »Zigfeld Follies« aus dem Jahr 1946.

Das endgültige Ende der Zusammenarbeit zwischen Rogers und Astaire ist 1949: Ginger Rogers springt für die erkrankte Judy Garland ein und spielt an der Seite von Fred Astaire »Die Tänzer vom Broadway«. Insgesamt umfasste Astaires Karriere 76 Jahre, Ginger Rogers stand 62 Jahre im Rampenlicht.

»Tanz ist ein Telegramm an die Erde mit der Bitte um Aufhebung der Schwerkraft«, hat Fred Astaire gesagt – wenn man sich anschaut, wie er getanzt hat, scheint die Erde dieser Bitte oft nachgekommen.

Von Sarah Engels