Line In – Der Musikkanal

von Johnny Schmidt-Brinkmann

Stellen Sie sich vor, sie sind mit einem Tanzlehrer oder einer Tanzlehrerin privat verabredet. Da kann es ihnen passieren, dass unsereins plötzlich ohne erkennbaren Grund in einer anderen Sphäre zu schweben scheint und panisch das lautlos gestellte Handy aus der Hose nestelt. Der Grund für den hastigen Griff nach dem Smartphone ist in so einem Moment die Musik, die uns überall umgibt und viele Szenen unseres Alltags untermalt. Dann hat unser Tanzgehör in den Tiefen des Musikteppichs eventuel gerade die Fasern einen Walzers entdeckt. Damit der gerade gelüftete Schatz nicht sofort wieder in den Weiten der Klangwelt entschwindet, muss eine Musikerkennungs-App schnell herausfinden, welcher Titel das ist, der so unvermittelt unsere Aufmerksamkeit erregt hat. Shazam oder SoundHound sind die bekanntesten, bei mir ist das Icon auf einem der besten Plätze des Startbildschirms beheimatet, damit ich keine der womöglich letzten Sekunden des Musikstückes verpasse.

Viele der tollsten Titel zu denen wir so gerne tanzen, sind nie für den Einsatz auf dem Parkett konzipiert worden – im Gegenteil. Zahlreiche der gefühlvollsten, ja geradezu epischsten Walzer stammen aus gewaltig orchestrierten Soundtracks zu gewaltschwangeren Historienschinken (u.a. “Gladiator”) oder den grausamen Pixelwelten millionenteurer Fantasy-Computerspiele (u.a. “Skyrim”). Erkennt die App den Titel nicht, wird es spannend, denn nun müssen wir selbst suchen. Wer hat den Soundtrack komponiert? Ist derjenige überhaupt so namhaft, dass er es in die Credits geschafft hat oder ist das nur ein weiteres Werk eines darbenden Sounddesigners, dessen musikalisches Talent sich nach vier bewegenden Phrasenbögen erschöpft hat? Ist das Geheimnis endlich gelüftet, nimmt das Ungemach gelegentlich erst recht seinen Lauf. Gibt es nämlich keinen Soundtrack, ist Kreativität gefragt. Im schlimmsten Fall gilt es, sich ein Computerspiel zu leihen und zu versuchen, die Musik aus bestimmten Szenen zu extrahieren. Manchmal kommen dann gerade 90 Sekunden zusammen, also dürfen wir noch schneiden und montieren, um am Ende noch die Geschwindigkeit zu manipulieren. Manch ein Tanzlehrer oder DJ hat sich mit solch einer Aktion schon die eine oder andere Nacht um die Ohren geschlagen.

Wir lieben Tanzen und verlassen bei der Suche nach neuer Musik gelegentlich gerne die ausgetretenen Pfade der Tanz- & Popmusik und begeben uns ins Unterholz des weltweiten Musikdschungels, damit wir immer die besonderste Musik haben.

Sollte Ihnen also künftig ein(e) Mitarbeiter(in) unseres Hauses begegnen, der in einem Modegeschäft an einem wackeligen Regal hängt und sein Handy in Richtung der einzigen erreichbaren Box streckt, wissen sie nun, dass gerade ein neuer Walzer, Tango oder Cha Cha Cha gefunden wurde.

Und auch Sie sind herzlich eingeladen, uns Ihre Entdeckungen und Vorschläge zukommen zu lassen. Es darf alles dabei sein – von Klassik bis Metal und von Rap bis Volksmusik, man weiß ja nie…