Das Musikvideo, das im letzten Sommer der 80er Jahre, nach Dirty Dancing im Jahr 1987, einen weiteren Ansturm auf die Tanzschulen ausgelöst hat, erinnert an die plakativen Werbefilme einer Eiscremefirma. Der Drehort ist ein paradisisches Strandpanorama am Cocos-Strand im Süden des Bundesstaates Bahia in Brasilien. Heiße Latinorhythmen vereinen sich mit dem vollmundigen Sound portugiesischer Liebkosungen. Lambada, heißt der Hit der Gruppe Kaoma, der im Jahr 1989 zunächst in Frankreich veröffentlicht wurde. Im Mittelpunkt der Produktion steht ein Kindertanzpaar: Sinnlich und träumerisch werfen sie sich immer wieder tiefe Blicke zu, wobei die junge Liebe unter den Augen des strengen Vaters seine Grenzen findet. Der Text des Songs säuselt dabei die Worte „Er wird weinen wenn er diese Liebe erinnert (…) ein Moment der in der Luft bleibt“.

Am Strand tanzen die beiden schwungvoll und lassen die Hüften nur so kreisen. Das Mädchen heißt im echten Leben Roberta de Brito und war wie ihr braungebrannter Tanzpartner Washington „Chico“ Oliveira mit 10 Jahren noch blutjung, als das Musikvideo gedreht wurde. Auch die Nebendarsteller halten sich mit Lebenslust nicht zurück und zeigen dabei eine gehörige Portion Haut: Das Video machte insbesondere den Stringtanga in Deutschland zum Trend. Die Röcke fliegen in der Produktion bis zum Bauchnabel.

Den Lambada, der gleichnamige Tanz zum Musiktitel, löste vielleicht auch gerade wegen diesem unbezwungenen Freiheitsgefühl in Deutschland in den späten 80ern einen Ansturm auf die Tanzschulen aus. Der Tanz selbst, eine Mischung aus Merengue und Carimbó, zeichnet sich durch die intensiv rollende Hüftbewegung aus. Das Paar tanzt eng und bleibt dabei in der Regel am Platz.

Den Lambada sollte man dabei nicht unterschätzen. Er ist, wenn er gekonnt getanzt wird, genauso anstrengend wie der Rock’n’Roll. Im Heimatland Brasilien war er in den 80er und 90er Jahren der wichtigste Tanzstil neben der Samba. Angeheizt durch TV-Shows und prominente Fersnehauftritte wurde in den Lambaterias, einer Art Lambada-Discothek, gerne getanzt und gefeiert. Jeder Brasilianer kennt bis heute diesen Tanz. Auch auf Hochzeiten, Geburtstagen und gesellschaftlichen Anlassen durfte der Lambada nicht fehlen.

Ganz klassisch fur den Lambada ist, dass die Paare in enger Tanzhaltung bleiben. Deshalb wurden Tanzer, die offene, raumgreifende Bewegungen in ihren Lambada aufnahmen, bei Wettbewerben disqualifiziert. Dadurch sollte die klare Stilistik des Tanzes geschützt werden. In Shows und Auftritten jedoch, verlangten die Tanzpaare nach mehr Buhnenwirkung und tanzten auch offene Figuren, sogar Hebungen und Akrobatik in ihren Tanzdarbietungen.

Doch nach einigen weltweiten Hits nutzte sich der Lambada als Musikrichtung scheinbar ab. Trotz der grossen tänzerischen Fangemeinde, die nicht nur in Brasilien dem Tanzgefuhl der Lambada treu bleiben wollte, verlor die musikalische Auspragung des Tanzes an Bedeutung.

Nachdem der Lambada-Rythmus zunehmend aus der Musikindustrie verschwand, wurden die ehemaligen Lambaterias von den DJs mit einer Vielzahl neuer, packender Rhythmen bespielt. Ein Klangspektakel aus Martinique, die Zouk mit ihren kreolischen, französischen Songs, war für die Lambadeiros eine Möglichkeit ihrem Tanz treu zu bleiben. Der Begriff der Lambada-Zouk macht diese Beziehung deutlich. Aber auch Lambazouk oder Zouk Brazilian Style werden teilweise verwendet um diesen Tanzstil greifbar zu machen. Gleichzeitig sind sie auch beweisend für den Kampf um eine klare Identität des exotischen Tanzstils, der sich seit den 80er Jahren in vielen, feinen Varianten und musikalischen Stationen zu finden versuchte. Viele Lambadeiros sehen in der Musikrichtung Zouk bis heute die Überlebenschance ihres Tanzes. Manch puristischer Liebhaber vielleicht auch seinen Untergang. Zumindest in der ganz klassischen Form mit begrenzten Figurenrepertoire und enger Tanzhaltung.

Später soll sich aus dem ursprünglichen Modetanz Lambada, durch die neu gewonnene Liberalität gegenüber anderer Musikstile, auch die brasilianische Zouk entwickelt haben. Sie greift im wesentlichen die ineinander fließenden Bewegungen seines Vorreiters auf. Auch Bodywaves, rollende Korperbewegungen, die sich wellenartig durch den Körper schlängeln und geführte Kopfbewegungen der Dame sind stilgebende Bewegungen der verwandten Tanzform, die im Moment auch in Europa und den USA zunehmend an Beliebtheit gewinnt.

Zugegeben, auch in Brasilien ist der Lambada heute nicht mehr so präsent wie in den späten 80er Jahren. Doch in einigen Teilen des Landes, zum Beispiel in Rio de Janeiro, Belo Horizonte und Porte Seguro, gibt es auch heute noch die Gelegenheit den klassischen Lambada zu Tanzen. Und zu besonderen Anlassen, wie beispielsweise Hochzeiten, wird immer noch gerne eine Lambada-Runde aufgelegt.

Und was passierte aus unserem jungen Tanzpaar aus dem weltbekannten Musikvideo? Nachdem die beiden als „Chico und Roberta“ im Jahre 1990 noch kurze Zeit Musik gemacht haben, löste sich das Teenieduo bald drauf auf. Chico ist heute Priester und lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in Brasilien. Roberta drehte bis 2004 noch als Schauspielerin und Produzentin Filme. Heute lässt sie ihre Hüften allerhöchstens noch als Tierärztin schwingen. Doch selbst wenn die beiden heute nicht mehr dem Lambada treu sind, konnten sie eine ganze Generation für diesen Tanz und ein Lebensgefühl begeistern.

 

Von der TANZEN Redaktion