Und dann hält ihn das Team von »Babylon Berlin« in den Händen: Den Bambi, den Ritterschlag in der deutschen Medienwelt. In der Kategorie »Beste Serie« wurde die Gemeinschaftsproduktion, an der auch die ARD und Sky beteiligt waren, Ende November 2018 – kurz nach der ARD-Erstausstrahlung – mit dem wichtigsten deutschen Medienpreis ausgezeichnet. Das Highlight der ersten Doppelfolge ist die Tanzszene im Nachtclub »Moka Efti«. Hier singt die Künstlerin »Nikoros«, die eine russische Cousine von Marlene Dietrich sein könnte, den tanzbaren Song »Zu Asche, zu Staub«. Dieser zieht sich wie ein roter Faden durch die Staffel und spiegelt das Lebensgefühl im Berlin von 1929 so authentisch wider, dass man zu Hause auf der Couch das Gefühl hat, die Berliner haben damals wirklich zu Nikoros’ Hit ihren Partytanz getanzt. Auch wenn Nikoros eine Serienfigur ist und das echte Moka Efti zwar 1929 in Berlin eröffnet wurde, aber mehr Kaffeehaus und Restaurant als sündiger Nachtclub war, so war es doch so, dass mit den Goldenen 20ern auch die ausgelassenen Swingtänze die deutschen Tanzflächen eroberten. Sie luden ein zur Alltagsflucht aus der unruhigen Metropole, die den Ersten Weltkrieg noch gar nicht verarbeitet hat und der die Hyperinflation noch in den Knochen steckte. Nach dem täglichen harten Kampf um die Existenz waren Charleston und Lindy Hop das Mittel der Wahl, um die Sorgen zu vergessen und gemeinsam mit anderen zu feiern – Alter oder gesellschaftliche Schicht spielten dann für wenige Stunden keine Rolle; auch nicht, dass man vielleicht nur deshalb die Nacht durchmachte, weil man eh kein Bett hatte, um darin zu schlafen.

In den letzten 100 Jahren haben sich die Swing-Tänze weiterentwickelt, die Familie ist größer geworden: Zu Lindy Hop kam West Coast Swing dazu, es entstanden Boogie, Jive und Rock ’n’ Roll. Doch immer und zu allen Zeiten steht der Swing für die Musik, die zum jeweiligen Jahrzehnt gehört, er steht für Revolution und die Suche nach Freiheit. Alle Swingtänze haben die ausgeprägte Improvisationsfreude, eine sehr lockere und offene Tanzhaltung und die authentische Musik, auf die getanzt wird, gemeinsam. Je nach Stil und Szenenkultur wird im Retro-Style getanzt, also in Kleidung die in den 20ern zur Entstehungszeit des Lindy Hop oder im 50er-Jahre-Boogie-Zeitalter modern waren. Oder man nimmt den Tanz mit auf dem Weg durch die Zeitgeschichte, wie das die West-Coast-Swing-Szene macht, die auf tagesaktuelle Musik und in Jeans und Sneakers tanzt.

ADTV-Tanzlehrerin Greta Hartmann unterrichtet in Heidelberg in der Tanzschule Nuzinger den Boogie-Club und liebt bei den Swing-Tänzen die Freiheiten, die ihr die Tänze bieten: »Gemeinsam mit meinen Paaren immer wieder neue Varianten und Improvisationsmöglichkeiten zu entdecken, gefällt mir am meisten. Außerdem geht mir die Musik gut rein.« Inspiriert von der letzten Ballnacht unter dem Motto »The Great Gatsby« gibt’s in ihrem Club auch Lindy-Hop-Unterricht: »Das Bewegungsgefühl der verschiedenen Tänze ist doch sehr unterschiedlich, obwohl sie alle miteinander verwandt sind – das macht den Unterricht im Swing-Bereich sehr abwechslungsreich.«
Kein Wunder also, dass die Swing-Tänze seit den 20ern nicht mehr von den Tanzflächen wegzudenken sind, sich immer weiterentwickeln und parallel dazu im Retro-Look weiterleben. Swing vermittelt auch heute noch ein Gefühl von der Sehnsucht nach Freiheit und der Flucht aus dem Alltag, auch wenn es nicht immer so melodramatisch sein muss wie von Nikoros besungen: »Es ist wohl nur ein Traum, das bloße Haschen nach dem Wind. Wer weiß es schon genau? Die Uhr an deiner Wand sie ist gefüllt mit Sand leg deine Hand in mein‘ und lass uns ewig sein.«

ALLE FACTS ZUR SERIE

Babylon Berlin basiert auf den Bestseller-Romanen von Volker Kutscher.

Die Hauptfigur Kommissar Gereon Rath wird ins Berlin der 1920er Jahre versetzt und lernt die Metropole mit all ihren schillernden und schockierenden Facetten kennen. Die Produktionsfirma X Filme Creative Pool hat gemeinsam mit ARD Degeto, Sky und Beta Film zusammengearbeitet, um die Serie, von der die ersten beiden Staffeln ausgestrahlt wurden, zu realisieren.

Die Regie lag in den Händen von Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries, die auch das Drehbuch schrieben. Zu sehen sind unter anderem die Schauspieler Volker Bruch, Liv Lisa Fries, Fritzi Haberlandt, Lars Eidinger, Peter Kurth und Benno Fürmann. Die Produktion soll rund 40 Millionen Euro gekostet haben und gilt damit als die teuerste deutsche Serie aller Zeiten. Sie ist mittlerweile mit vielen wichtigen Preisen ausgezeichnet, darunter der Grimme-Preis, der Deutsche Fernsehpreis, der Bambi, die Goldene Kamera sowie die österreichische Romy.

Die Dreharbeiten für die dritte Staffel haben im Herbst 2018 unter anderem in Berlin und Nordrhein-Westphalen begonnen. Die Ausstrahlung ist bei Sky für Ende 2019 und im Herbst 2020 im Ersten geplant. »Babylon Berlin« gehört laut Google zu den meistgesuchten Begriffen des Jahres 2018.

»Babylon Berlin gab einen tollen Einblick in eine in jeder Hinsicht revolutionäre Zeit. Ich kann mir vorstellen, dass die überzogene
Atmosphäre in einigen Szenen tatsächlich Realität war.«
Yvonne Alisch, Tanzschulinhaberin aus Aschaffenburg

»Die Tanzszenen sind sehr gelungen und haben mich sofort gepackt! Babylon Berlin hat mich dazu bewogen das Thema ‚Swing‘ wieder mehr in den Unterricht aufzunehmen.«
Hanno Liesner, Tanztrainer und Choreograph aus Münster