Gehirnforscher Professor Christian Elger erklärt, wie sich ein Tanzkurs auf das Gehirn von Eckart von Hirschhausen auswirkte

Was passiert eigentlich im Gehirn, wenn wir Tanzen lernen? »Tanzen – Das Magazin« traf den Neurologen Professor Christian Elger in der Bonner Uniklinik. Er untersuchte die Auswirkungen auf das Gehirn eines Menschen vor und nach einem sechswöchigen Tanzkurs. Sein Proband war ausgerechnet Eckart von Hirschhausen, der für seine WDR-Sendung »Quiz des Menschen« West Coast Swing lernte. Im Interview verrät Professor Elger auch seinen persönlichen Lieblingstanzstil.

Herr Professor Elger, Sie haben den bekannten Autor Eckart von Hirschhausen zu den Einflüssen eines Tanzkurses auf sein Gehirn untersucht. Wie kamen Sie dazu?
Elger: Herr von Hirschhausen kam auf mich zu, da er nachweisen wollte, dass etwas im Gehirn passiert, wenn man tanzt. Bewegung allein gilt als eine der wenigen gesicherten Präventionen gegen Demenz. Tanzen ist eine besondere Form der Bewegung zusammen mit Musik und sollte also besonders gut sein. Man kann natürlich an einer Person nicht beweisen, dass Tanzen gut gegen Alzheimer ist, doch wir konnten nachweisen, dass sich etwas im Gehirn verändert.

Wie genau haben Sie das untersucht?
Wir haben ihm vor dem Kurs über eine Videobrille eine entsprechende Tanzform eingespielt, die er erlernt hat, und haben dabei im Scanner geschaut, was in seinem Gehirn passiert. Er hat es zunächst über sein optisches System wahrgenommen. Dann hat Herr von Hirschhausen den Tanz West Coast Swing erlernt. Danach haben wir untersucht, wie er auf Bilder von West Coast Swing verglichen mit Bildern von einem unbekannten Tanz reagiert. Als er dann die Bilder von West Coast Swing gesehen hat, wurde sein ganzes motorisches System aktiviert. Das heißt, innerhalb weniger Wochen hat sein Gehirn gelernt, diese Bewegung auch im Gehirn abzubilden, auch wenn er noch nicht einmal intensivst getanzt hat und auch noch andere Dinge in den Wochen gemacht hat. Wenn man jetzt davon ausgeht, dass die motorische Fähigkeit des Gehirns, das Gehirn besser und länger am Leben hält, ist Tanzen sicher eine ganz sinnvolle Methode der Bewegung.

Warum, denken Sie, ist denn gerade das Tanzen eine sinnvolle Art der Bewegung?
Tanzen hat ja noch mehrere Faktoren, auch durch die Kombination mit Musik. Das führt dazu, dass wir sie gerne ausführen. Physiologisch ist Musik ja etwas Uraltes. Jedes Naturvolk hat seine Tänze. Wir als Menschen sind die einzigen Lebewesen, deren Gehirn solch eine große Evolution durchgemacht hat. Ich denke, diese Entwicklung von Musik, Rhythmik und passender Bewegung ist möglicherweise ein Teil, der zur Entwicklung unseres Gehirns mit beigetragen hat. Wenn man fragt, was unterscheidet Mensch und Tier, dann merkt man, dass es schon sehr ungewöhnlich ist, wenn ein undressiertes Tier sich zu einem Rhythmus bewegt. Doch der Mensch hat das von sich aus entwickelt. Somit ist die menschliche Bewegung zu einem Rhythmus ein wesentlicher Teil seiner Entwicklung oder folgt zumindest aus der großen Entwicklung seines Gehirns. Durch die Kombination von Rhythmus, Bewegung und die dauerhaft wechselnden optischen Eindrücke, etwa durch Drehungen, erfolgt beim Tanzen eine Maximalaktivierung des Gehirns. Ich finde Tanzen ist etwas Wunderbares, weil es erstens eine ästhetische Form ist, sich zu bewegen, und zweitens, erheblich zur Beweglichkeit beiträgt und durch die Kombination mit Musik einen optimalen Lerneffekt hat. Gerade wenn Lernen mit Spaß verbunden wird, sitzt das Gelernte noch tiefer. Durch die Musik und das Tanzen wird unser Belohnungssystem aktiviert. Wir nutzen unsere Neigung, Musik zu hören und uns dazu zu bewegen. Das ist eine einmalige Kombination.

Bewegung mit Musik hat man ja bei mehreren Sportarten. Gibt es denn noch besondere Auswirkungen, gerade beim Paartanz?
Die klassische Tanzform mit einem Partner bietet noch die Komponente der Zwischenmenschlichkeit, gerade bei so besonderen Tänzen wie etwa Tango, wo der Tanz selbst auch noch ein erotisches Wechselspiel ist. Dies trägt auch zur Beziehungsstärke bei. So werden zusätzlich zum akustischen und motorischen System auch das emotionale System im Gehirn aktiviert. Das Gehirn wird im großen Umfang trainiert. Im Hintergrund jeder einfachen Bewegung laufen komplexe Prozesse im Gehirn ab. Stellen Sie sich vor, was dann bei einer komplexen Drehung passiert. Gerade der Paartanz ist eine enorme Anforderung. Ich muss die Figuren im Zusammenspiel mit meinem Partner in einen sinnvollen und harmonischen Ablauf bringen. Wir Menschen haben auch einen hohen Schwerpunkt, etwa im Nabelbereich, und müssen permanent balancieren.

Hat Sie denn das Ergebnis der Hirschhausen Untersuchung überrascht?
Uns hat überrascht, dass wir überhaupt etwas gesehen haben. Dass wir bereits bei einer Person einen so deutlichen Effekt hatten, zeigt, dass die Effekte schon sehr robust sind. Herr Hirschhasuen ist ja nun auch nicht das Musterbeispiel eines Tänzers, sondern ein ganz normaler Mensch. Es wäre auch interessant, mal die Kandidaten der Show »Let’s Dance« vorher und nachher zu untersuchen. Da könnte man auch die Bewertung mit der Hirnreaktion vergleichen.

Tanzen Sie selbst und haben Sie einen Lieblingstanz?
In meiner Jugend habe ich viel getanzt. Ich bin in der Rock ’n‘ Roll Zeit groß geworden und hab das früher leidenschaftlich getanzt. Natürlich habe ich damals auch einen klassischen Tanzkurs gemacht, doch Rock n‘ Roll war damals der Zeitgeist. Das hat mir immer viel Spaß gemacht und Rock n‘ Roll ist immer noch eine meiner Lieblingsmusikrichtungen. Zu Elvis schmolzen wir dahin.

Interview Prof. Christian Elger, Epileptologie, Bonn, 19.5.2016